»Links«!

Freitag, 4. Dezember 2015

Mein Frauenbild ist ausgesprochen beschissen. Angeblich. So sagt man. Oder teilte mir besser gesagt neulich ein Leser mit. Er interpretiere einige meiner eher literarisch gehaltenen Texte und erkenne darin Machismo, die Kopfgeburten eines patriachalisch überkommenen Linken. Er merke das an flapsigen Sprüchen und despektierlichen Beschreibungen die Frauenwelt betreffend. »Warum machst du das denn? Hast du das denn nötig, Mensch?«, fragte er. »Das sind Texte, die ich in meiner literarischen Einfalt so gestaltete und auch wieder ganz anders gestalten könnte. Hier liegt eine Verwechslung zwischen mir und meiner Kunst vor«, antwortete ich. »Meiner Kunst«, sagte ich tatsächlich - och, manchmal kann ich echt ein Großkotz sein. »Du machst dich angreifbar als linker Schreiber«, konterte er. Ich antwortete ausführlich mit den Worten: »Okay«. Dann hakte ich den Dialog ab. Ich mag Moral, mochte sie immer. Ohne sie geht es zwischen Menschen nicht. Aber was da links oder sagen wir lieber »links« geschieht, hat mit ethischer Gepflogenheit nichts mehr zu tun. Das ist Langeweile, Bevormundung und der miese alte Stalin ist der Vater einer solchen Denke.

Wenn die Knalltüten jetzt schon anfangen, einem zu sagen, wie man sein Handwerk in die Tastatur tippen soll, dann wird aus Moral dröger Moralismus, der nichts weiter als die Vorstufe eines Inquisition auf gutmenschlicher Basis ist. Oho, ich habe das freche G-Wort verwendet, den »Gutmenschen« bemüht, diesen Kampfbegriff der Hohlbirnen, nicht wahr. Und ihr Scheißer, die ihr die moralisch unanstastbare Schreibe von mir fordert, könnt gar nichts dagegen machen. Ich liebe die Freiheit des Künstlers. Aber ruhig, denn ich komme vom Grundgedanken dieses Textes ab. Zurück also zu jenem Tag, da man mich für mein Patriachat in Textform kritisierte.

Am selben Tag nämlich, da man mir die Leviten las, keine zwei Stunden später, juckelte die Ditfurth auf ihrem Account herum. Jetzt waren alle Gegner des Freihandelsabkommens rechts, erklärte sie in trockenem Ton. Sie sog sich Argumente aus den Fingern. Das ist seit einigen Monaten ihre neue Häkeldecke. Ich schätze die Frau wirklich – und ich schätze wirklich, dass es das mit ihr war. Nochmal einen Tag später las ich Anmerkungen eines arg linken Menschen auf Facebook. Er wähle »Die Linke« nicht, weil sie eine »institutionelle und strukturelle Entität im Subkontext kapitalistischer Mechanismen [sei], deren Motorik darauf ausgerichtet sei, die systematische Asymmetrie zu perpetuieren«. Puh, das klang durch und durch nach Erkenntnis und Erleuchtung. Wie dumm ich doch neben so einen Schlaumeier aussehe. Dieser Mensch wollte wahrscheinlich nur ausdrücken, dass »Die Linke« für ihn irgendwie »auch die Rechte mit netteren Merkmalen« sei. Kann man so sehen. Wir sind ja Demokraten. Jedem Tierchen sein Bläschen oder so ähnlich. Und da war ich wieder an dem Punkt, an dem ich mich fragte: Was sind Linke eigentlich für merkwürdige Gestalten?

Ich meine, die Rechten sind so schön im Geldverdienen und Profitmaximieren vereint, sodass sie sich zu ihrem Feindbild merklich abgrenzen und sich auf ihren einzigen Gegner stürzen: Dem linken Gedankengut. Aber das »linke Potenzial der Gesellschaft« kämpft mit sich selbst. Was für eine Vergeudung! Alle anderen sind ja immer nicht links genug, haben es noch nicht begriffen, müssen beschult werden und sind, wenn sie nicht lieb nicken und Einsicht zeigen, natürlich der wahre Feind. Schön ist es da, dass ich mich als Linker nicht alleine am Kopf kratzen muss ob des Verhaltens »meiner linken Gesinnungsgenossen«. Der Mensch, den sie Che2001 nennen und der nebenbei auch noch Blogger ist, hat hierzu sogar einen Roman geschrieben.

Genauer gesagt einen »Schelmenroman aus der autonomen Szene«. So die Tagline. Richtig heißt das Ding »Wahnsinn und Verstand«. Ja, genau richtig, der Titel. Es unkt so viel Wahnsinn zwischen all dem Verstand hervor, dass es einer Tragödie gleichkommt. Aber gut, andererseits unterhalten all diese linken Trips ungemein. Es geht in dem Buch um allerlei. Um Linke, die links sind, weil es modisch ist; um Linke, die link sind; um Linke, die es ernst meinen und locker bleiben; um Linke, die es noch ernster meinen und stalinistisch und gleichzeitig mccarthyistisch (die Synthese, wir kennen unseren Hegel) werden; um Linke, die es sind, weil rechts weniger Flair und Lifestyle herrscht. Um eine verrückte Szene halt. Je fundamentalistischer die Charaktere darin geschildert werden, desto mehr entfernen sie sich von dem, wozu sie eigentlich mal antreten wollten. Wenn darin feministische Linke über die eingeschränkte Penetration beratschlagen, die nur mit der Eichel stattfinden sollte, weil der ganze Schaft im Unterleib einer Frau ja einer Erniedrigung der Frau seitens des Mannes gleichkommt, dann denke ich an manche Kreatur, die ich heute so in den sozialen Netzwerken ertragen muss. Was seid ihr alle für traurige Figuren im Weltentheater, wenn ihr jedes Vergnügen zu einem Akt hochgradig politischer Korrektheit in eurem Sinne machen wollt. In einer Welt, in der solche Fundis das Sagen haben, wollte ich noch weniger leben, als in der, die wir heute schon haben.

Der Mensch hinter »Wahnsinn und Verstand« beschreibt die Linke als einen bunt gemischten Haufen von Personen, in denen es auch (nicht nur!) einen Haufen Spinner gibt. Als Linker bin ich mit vielen Linken vernetzt. Bei Facebook zum Beispiel. Und was ich da lesen muss, könnte von den Romanfiguren aus dem Buch stammen. Der Autor hat seine Geschichte ja in die Neunzigerjahre gesteckt. Ich nehme an, dass er Erlebnisse verarbeitete. Damals gab es noch kein Facebook. Hätte es das schon gegeben, würden die Posts mancher Protagonisten des Buches in etwa genauso klingen, wie all der hexenjägerische Müll, den es auf meiner Chronik so gibt. Ach, ist das Leben leicht geworden. Früher musste man als »linke« Pissnelke noch diese schwierige zwischenmenschliche Ebene erklimmen. Heute reicht ein Statement und ein Klick und die Aktivierung von Gleichungesinnten, um den Scheißesturm zu eröffnen und sich im Niemandsland der Nichtigkeit zu verfransen.

Ich bin echt ein Fan davon, nicht auf Menschen treffen zu müssen - jedenfalls was das anbelangt. Bei Demos gegen Nazis tummeln sich so viele Spinner von »links«, dass es einem echt schlecht wird. Dann packt einer neben dir ein veganes Würstchen aus und knabbert Paprika und glupscht dich überlegen an, weil du einen Döner verschlingst und dazu nicht etwa Tee trinkst, sondern ein kühles Export. Das kann er ja machen, aber dann schwingt immer der moralische Rigorismus mit und so einer langweilt mich nach drei Sätzen. Du stehst neben diesen Kollegen, hast dieselben Ziele und fühlst dich schlecht, weil du ja nicht moralisch unbedenklich bist. Da ist mir Facebook lieber. Ich betrete es halt einfach nicht, wenn mich die Inhalte dort nerven. 

Ich will moralisch gar nicht einwandfrei sein. War ich wahrscheinlich auch nie. Ich möchte schreiben, wie es mir beliebt. Und wenn sie einen Sänger zu Kontesten schicken, der politisch gesehen einen an der Klatsche hat, dann mag mich das ärgern, aber ich habe absolut keine Lust inquisitorischer Mönch der allgemeinen Hexenjagd zu sein. Schön, wenn sie einen solchen Barden zu Fall bringen, aber sympathisch ist mir die Bande nicht. Sie versteigt sich in Nichtigkeiten. Außerdem bin ich nicht moralisch genug für solche Inszenierungen. Was da von »links« kommt, von diesem Surrogat des ursprünglichen linken Gedankens, ist einfach unerträglich für die, die wirklich links stehen. Die Welt ist eben nicht unschuldig durchwandelbar. Toller wusste das: » Muss der Handelnde schuldig werden, immer und immer? Oder, wenn er nicht schuldig werden will, untergehen?« Die Antwort gab er selbst. Ohne sich schuldig zu machen, klappt es hienieden nicht. Ja, er war wirklich ein Toller. Mir ist ja ein Linker, der einen Sportwagen schön findet und Hummer isst, wesentlich lieber als so ein Steinzeitkommunist. Wir brauchen mehr Genuss für alle und nicht mehr Entbehrung und moralisches Zurückstecken.

So, das war jetzt keine Rezension für »Wahnsinn und Verstand«. Eigentlich wollte ich ursprünglich eine schreiben. Und dann kam dieser Text dabei heraus. Ich eigne mich nicht als Kritiker im klassischen Sinne. Man sehe es mir nach und lese mal beim Che2001. Auch in seinem Blog. Wer in Buch und Blog moralische Bedenklichkeiten findet, kann ja protestieren und ihm dern Spam-Ordner randvoll füllen. Demokratie bedeutet eben auch, sich zum Deppen machen zu dürfen.

1 Kommentare:

che2001 8. Dezember 2015 um 22:23  

@"Der Autor hat seine Geschichte ja in die Neunzigerjahre gesteckt. Ich nehme an, dass er Erlebnisse verarbeitete. Damals gab es noch kein Facebook. Hätte es das schon gegeben, würden die Posts mancher Protagonisten des Buches in etwa genauso klingen, wie all der hexenjägerische Müll, den es auf meiner Chronik so gibt. Ach, ist das Leben leicht geworden. Früher musste man als »linke« Pissnelke noch diese schwierige zwischenmenschliche Ebene erklimmen. Heute reicht ein Statement und eRäumen unter sich kennenden Menschen unter Vorkehrungssmaßnahmen gegen Wanzen und in Klick und die Aktivierung von Gleichungesinnten, um den Scheißesturm zu eröffnen und sich im Niemandsland der Nichtigkeit zu verfransen." Ja, richtig vermutet, ich verarbeitete Erlebnisse [auf Bitten des Verlages geändert]. Ein Genosse aus diesen Jahren meinte zu der Kommentarwelt rund um Mädchenmannschaft und Metalust, das wäre so, als ob die Debatten, die in den Neunzigern aus guten Gründen in geschlossenen Räumen geführt wurden im Bewusstsein, dass es Wanzen und Richtmikrofone gab(Telefone wurden ausgestöpselt und in Kühlschränke gestellt, Musik angestellt und Duschen aufgedreht, um Störgeräusche zu erzeugen)heute im Internet mit Kommentarfunktionen und z. T. Klarnamen 1 zu 1 weitergeführt würden.Wobei eine besondere Absurdität darin liegt, dass wir seinerzeit mit Berufsverbot und Knast rechneten für Statements, auf denen heute Leute Medienkarrieren aufbauen wollen und deshalb mit Klarnamen bloggen.

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